Das Waldweibl im Seegrund bei Zinnwald
(Köhler, Sagenbuch des Erzgebirges)
Ein Mann von Zinnwald trieb Spitzenhandel, der ihn öfters nach Böhmen führte. Einmal ritt er durch den Seegrund nach Eichwald; da begegnete ihm ein Waldweibl. Es redete ihn an: „Bruder, willst du mit mir schnupfen?“ Dabei tat es sonderbarerweise seine Schürze auf, die voll Laub war. Als der Spitzenhändler hineingriff, um sich spaßeshalber eine Handvoll Laub zu nehmen, blickte er zugleich auf und sah, daß das Gesicht des alten Weibls einem alten Käse glich. Er erschrak so sehr, daß er die Hand zurückzog und fortritt. Das Weibl aber rief ihm nach: „Nun muß ich noch hundert Jahre warten; hättest du das Laub genommen und wärst nicht erschrocken, so wär ich erlöst!“ Ein Blatt war ihm jedoch unter den Ärmel gefahren, und das war, als er es später fand, lauter Gold.
(Das Aussehen des Waldweibls erinnert an die Zwerge Tirols und der Schweiz, die dort „Kasermanderln“ (Käsemännchen) heißen und den goldenen Käse verschenken. Die Sprachforschung hat nachgewiesen, das Quark (Käse) und Twarg ( im Mittelhochdeutschen querx und twerc) im deutschen Norden bis Livland sowohl Zwerg als Käse bedeutet. An diese Bezeichnung klingen in unserer Heimat gebräuchlichen Worte Quargel oder Quärgel für Quarkkäse und „Herumquärgeln“ für das Herumkriechen kleiner Kinder an. Die Kinder werden hier mit Zwergen verglichen. Auch der bei uns für einen Wirbelwind oder eine leichte Windhose gebräuchliche Name „Quärgelwind“ erinnert an die Querxe oder Zwerge.)